22. Juli 2024 | BAG RelEx

„Der Nahostkonflikt als Katalysator“ – Rückblick zum Fachtag

Unser diesjähriger Fachtag fand unter dem Titel „Der Nahostkonflikt als Katalysator – Antisemitismus, Rassismus und Radikalisierung in Deutschland“ am 14. und 15. Mai statt. Lesen Sie hier den Rückblick.

Die Inhalte des ersten Tags haben wir für Sie aufgezeichnet. Mitschnitte des Vortrags von Dr. Yasemin El-Menouar, von Dr. Götz Nordbruch und von der Diskussion der beiden Keynote Speaker*innen mit Rüdiger José Hamm finden Sie in unserer Mediathek und auf YouTube.

 

Antisemitismus, Rassismus und gesellschaftlicher Zusammenhalt. Ein Blick auf Deutschland in Zeiten der Eskalation in Nahost
Keynote I von Dr. Yasemin El-Menouar (Bertelsmann Stiftung)

In Ihrem Vortrag ging Dr. Yasemin El-Menouar Ergebnisse des aktuellen Religionsmonitors ein und stellte den Bezug zwischen den Ergebnissen und der Situation in Deutschland nach dem 7. Oktober her. Die Ergebnisse des Religionsmonitors zeigen, dass antisemitisches Gedankengut weit verbreitet ist und teils auch in aggressiver Form von den sogenannten Rändern bis in die Mitte der Gesellschaft hineinreicht. Die unterschiedlichen Ausprägungen von Antisemitismus treten dabei auch in muslimischen Communities in Deutschland auf. Zugleich zeigt sich aber auch ein Anstieg bei antimuslimischen Ressentiments, die sich in verschiedenster Ausprägung und Form auch durch Beschimpfungen und Angriffe auf den Straßen zeigen. Insgesamt ist eine Enthemmung diskriminierender Vorurteile zu beobachten, mit der eine Gefährdung des gesamtgesellschaftlichen Zusammenhalts einhergeht.

Über den Religionsmonitor der Bertelsmann Stiftung werden seit 2008 die Auswirkungen von Religion auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt sowie die Wahrnehmung religiöser Vielfalt beobachtet. Gleichwohl werden antisemitische und antimuslimische Vorbehalte in der Erhebung abgefragt. Für den Monitor 2023 wurde allein in Deutschland 5000 Menschen repräsentativ befragt. Insgesamt erreichten die Forscher*innen in Deutschland, Frankreich, Großbritannien, den Niederlanden, Spanien und den USA mehr als 10.000 Personen. Da die Daten bereits vor dem 7. Oktober erhoben wurden, bilden sie die aktuelle Situation zwar nicht ab, geben laut Dr. El-Menouar jedoch Anhaltspunkte für die Erklärung aktueller Entwicklungen.

Antisemitismus ist in allen untersuchten Ländern weit verbreitet und vor allem in seiner israelbezogenen Form salonfähig. In Deutschland zeigen sich vor allem unter AfD-Wähler*innen antisemitische Haltungen. Doch auch bei anderen Parteipräferenzen zeigen sich starke Ausprägungen, mit einer Ausnahme bei den Wähler*innen der Grünen. Meist sei der Antisemitismus nicht ideologisch verfestigt, sondern zeige sich in Form von unbewussten Vorurteilen. Diese bilden jedoch ein Einfallstor für Extremist*innen und extremistische Narrative verschiedenster Ausprägungen, die bewusst die Gesellschaft spalten wollen. Einflussfaktoren, die die Ausprägungen von Antisemitismus innerhalb der Gesellschaft und in Bezug auf einzelne Bevölkerungsgruppen beeinflussen, sind dabei vielfältig. Unabhängig von jeweiligen Ausprägungen und Differenzierungen ist Antisemitismus jedoch klar als dieser zu benennen, unabhängig ob er von rechtsextremen oder islamistischen Akteuren oder aus anderen Teilen der Gesellschaft geäußert wird.

Der Religionsmonitor zeigt auch die Zunahme von antimuslimischem Rassismus. Laut den Ergebnissen nimmt jede*r Zweite in Deutschland den Islam als eine Bedrohung war. Bezüglich des Alters zeigen sich jedoch signifikante Unterschiede. Während in jungen Altersgruppen die Bedrohungswahrnehmung niedriger ist, zeigen sich bei Älteren ein immer negativ werdendes Islambild. Als mögliche Gründe für diese Unterschiede sieht Yasemin El-Menouar darin, dass interkultureller und interreligiöser Kontakt für junge Altersgruppen in Deutschland mehr und mehr die Norm ist. Nichtsdestotrotz wird der Islam gesamtgesellschaftlich weiterhin stark mit Islamismus in Verbindung gebracht. Der Islam wird vor allem als eine politische Ideologie wahrgenommen. Diese Vorurteile gegenüber dem Islam und Muslim*innen und der daraus resultierende antimuslimische Rassismus und die Ausgrenzung wiederum können junge Muslim*innen ansprechbarer für islamitische Narrative machen, was islamistische Akteure nutzen.

Aus Sicht von Dr. El-Menouar hilft differenziertes Wissen über die jeweiligen Religionen, um Vorurteile und Bedrohungswahrnehmung zu verringern. Es brauche Begegnungen auf Augenhöhe und differenzierte Bildungsangebote sowie die Förderung von vielfältigen Kontakten. Darüber hinaus müssen Antisemitismus und antimuslimischer Rassismus klar benannt werden, um Extremist*innen nicht in die Hände zu spielen. Gleichermaßen muss Diskriminierung und Ausgrenzung anerkannt und vehement entgegengewirkt werden. Eine Verkürzung von jüdischem und muslimischem Leben auf den Nahostkonflikt darf nicht stattfinden, um eine Differenzierung zwischen den verschiedenen Lebenskontexten (ob bspw. in Deutschland oder in Ländern des Nahen Ostens) sowie die Anerkennung von unterschiedlichen Identitätsentwürfen zu gewährleisten. Zudem muss Politik die religionspolitischen Rahmenbedingungen weiter öffnen, um die Teilhabe aller Religionen zu erhöhen. Es braucht neben einer kognitiven auch eine Auseinandersetzung auf affektiver Ebene, für die u. a. zivilgesellschaftliches Engagement sorgen kann. Diese Angebote sollte aus Sicht von Frau El-Menouar ebenso wie die Vielzahl an Solidaritätsprojekten zwischen Jüd*innen und Muslim*innen mehr Sichtbarkeit bekommen.

Hier kommen Sie  zur Aufzeichnung des Vortrags von Dr. El-Menouar.

 

Die mobilisierende Wirkung des Nahostkonflikts in islamitischen Narrativen – und was man dagegen tun kann
Keynote II von Dr. Götz Nordbruch

Unter dem Titel „Die mobilisierende Wirkung des Nahostkonflikts in islamistischen Narrativen – und was man dagegen tun kann“ stellte Dr. Götz Nordbruch in der zweiten Keynote seine Überlegungen zur aktuellen Situation und zum möglichen Umgang in der pädagogischen Praxis dar. Herr Nordbruch zeigt auf, dass die Diskussion über die Auswirkungen des Nahostkonflikts auf Deutschland sowie dem angemessenen Umgang damit schon seit mindestens 25 Jahren geführt wird. Die aktuelle Situation unterscheidet sich jedoch aus seiner Sicht jedoch dadurch, dass die Lage medial, politisch und auch im schulischen Kontext sich eskalativer gestaltet als in der Vergangenheit. Als positiv hebt er jedoch hervor, dass aktuelle Erhebungen zeigen, dass das Mitgefühl für die unterschiedlich betroffenen Positionen in vielen Ländern gestiegen sei. Allerdings fällt es aus seiner Sicht schwerer, den unterschiedlichen extremistischen Szenen und Gruppierungen Positionen zum Nahostkonflikt zuzuordnen. Ihm zufolge lohnt es sich aus pädagogischer Sicht bei den Übergängen zum Islamismus näher hinzuschauen.

Bei islamistischen Akteuren beobachtet Götz Nordbruch unterschiedlichen Narrative, die in die jeweilige Positionierung zum Nahostkonflikt eingewoben werden. Zum einen sieht er das Narrativ der Bedrohung der Gemeinschaft der Muslime und die Darstellung als eine Gemeinschaft, die als Opfer „des Westens“ dargestellt wird. Der Nahostkonflikt sei dabei aber lediglich der Ausgangspunkt für die Entwicklung einer weltweiten Bedrohungslage, der sich Muslim*innen aus Sicht von Islamist*innen gegenüber sehen. Zum anderen wird zum Widerstand aufgerufen, um sich gegen Verfolgung und Repressionen weltweit zur Wehr zu setzen. Als Ziel wird hierbei immer eine alternative Ordnung in Form eines Kalifats proklamiert, welches die westliche Kultur und die vermeintlich westliche Ordnung ablösen sollen.

Für die Präventionsarbeit umreist Dr. Nordbruch verschiedene Handlungsideen, die aus seiner Sicht unterstützend und fördernd im Umgang mit der Situation nach dem 7. Oktober in der Praxis sein können. Aus seiner Sicht ist es notwendig, die eigenen Grenzen klar zu benennen und sowohl in der Selbstreflexion als auch in der Durchführung von Bildungsformaten die eigene Perspektive zu verdeutlichen, aus der man spricht. Für ihn ist es elementar, Perspektivenvielfalt zu gewährleisten, die auch durch externe Stimmen oder die Nutzung unterschiedlicher Medien in die Arbeit mit Jugendlichen eingebracht werden kann. Es ist aus seiner Sicht unabdingbar, Stimmen aus Israel und Palästina sichtbar zu machen und auch hier die Diversität in unterschiedlichen Positionen innerhalb jüdischer und muslimischer Communities sichtbar zu machen. Darüber hinaus sei es wichtig, in den direkten Kontakt zu gehen, Gespräche zu suchen und dabei stets authentisch zu bleiben und auch eigene Emotionen im Umgang mit dem Thema auszusprechen.

Um einen Umgang mit dem Thema im Schulkontext zu ermöglichen, reichen Angebote für Schüler*innen allein nicht aus. Neben Angeboten für Jugendliche sieht Götz Nordbruch auch die Notwendigkeit, Angebote für Lehrkräfte zu schaffen bzw. weiterhin anzubieten, um sie für das Thema zu sensibilisieren. Unabhängig von den jeweiligen Konflikten hält er es für gegeben, grundlegende Regeln und Kompetenzen gemeinsam im Schul- oder Klassenverbund zu entwickeln, die nicht nur im spezifischen Konflikt, sondern auch in anderen Situationen Gültigkeit besitzen und als Bewältigungsstrategien genutzt werden können. Es sei nicht ausreichend, sich nur anlassbezogen mit diesen Themen auseinanderzusetzen. Beziehungs- und Netzwerkarbeit sollte nachhaltig und langfristig gedacht werden, um gemeinsam dauerhaft ein inklusives Wir zu gestalten. Dabei braucht es Räume, in denen Konflikte verhandelt werden können und Multiperspektivität gewährleistet wird.

Beim Nahostkonflikt und seinen Auswirkungen handelt es sich aus seiner Perspektive nicht um einen „importierten Konflikt“, sondern um einen Konflikt, der unmittelbar an Themen, Narrative, Erfahrungen und Emotionen aus dem deutschen Kontext anschließt. In diesem Kontext müssen Schule und Präventionspraxis den Schutz von Betroffenen gewährleisten, Räume schaffen, Widersprüche anerkennen und Multiperspektivität ermöglichen.

Hier kommen Sie  zur Aufzeichnung des Vortrags von Dr. Nordbruch.

 

Podiumsdiskussion: Der Nahostkonflikt als Katalysator
Dr. Yasemin El-Menouar, Dr. Götz Nordbruch, Rüdiger José Hamm

Der erste Tag wurde mit der von Ulrike Hoole (BAG REelEx) moderierten Podiumsdiskussion abgeschlossen. Unter dem Fachtagstitel „Der Nahostkonflikt als Katalysator“ diskutierten die beiden Keynotespeaker*innen Dr. Yasemin El-Menouar, Dr. Görtz Nordbruch und der Co-Geschäftsführer der BAG RelEx, Rüdiger José Hamm. Aus Sicht von Herrn Hamm emotionalisiert der Nahostkonflikt in Deutschland vor allem vor dem Hintergrund deutscher Geschichte und die starken Freund-Feind-Schemata, die sich über die lange Dauer des Konflikts über Jahrzehnte ausgebildet und verfestigt haben. Dr. El-Menouar hebt ebenfalls die historische Verantwortung Deutschlands für die Existenz Israels hervor. Darüber hinaus sieht sie den Nachholbedarf bei der Aufarbeitung der Shoa als einen weiteren Grund. Es braucht aus ihrer Sicht eine lebendigere Erinnerungskultur, die es auch in sich verändernden gesellschaftlichen Bedingungen und Zusammensetzungen immer wieder schafft, Bezüge herzustellen. Aus ihrer Sicht stellt sich die Frage, wie man diese herstellen kann und wie man deutsche Geschichte für Menschen mit Migrationshintergrund öffnen und auch ihre Erfahrungen abbilden kann. Sollte dies gelingen, könnte es eine Möglichkeit sein, Schuldzuweisungen und Polarisierungen zu verringern, weil Anknüpfung ermöglicht wird. Götz Nordbruch sieht in der aktuellen Situation vor allem eine Projektion des Konflikts auf andere Lebensbereiche und Themen, die antisemitisch und rassistisch hoch emotionalisiert verhandelt werden. Es sei darüber hinaus fatal, dass andere Konflikte durch die hohe Emotionalität der kriegerischen Auseinandersetzung zwischen Israel und der Hamas in den Hintergrund geraten, obwohl sie ähnliche Opferzahlen verzeichnen. Er wünscht sich, dass die Debatte differenzierter und multiperspektivisch und vergleichbar zu anderen Konflikten geführt wird und dadurch neue Diskussionsräume eröffnet werden.

Auf die Frage, ob die Diskutant*innen den Nahostkonflikt als Katalysator für bestehende Problemlagen in Deutschland beschreiben würden, verweist Yasemin El-Menouar darauf, dass es Vorurteile sowie antisemitische und antimuslimische Haltungen bereits vor dem 7. Oktober bestanden haben. In einer solch akuten Konfliktsituation, dies zeigten auch Vergleiche, würden sie jedoch verstärkt nach außen treten. In der Regel handele es sich jedoch nur um kurzfristige Ausschläge, die das grundsätzliche Niveau jedoch nicht verändern würden. Rüdiger José Hamm ergänzt, dass der Nahostkonflikt für die Praxis in jedem Falle als eine Art Katalysator wirkt. Anfragen an die Mitgliedsorganisationen haben nach dem 7. Oktober in allen Bereichen des Arbeitsfeldes stark zugenommen und seien teilweise nur schwer zu bewältigen gewesen. Die Situation sei teilweise dramatisch gewesen, da kein Raum für Austausch und Diskussion zur Verfügung gestanden hätte. Götz Nordbruch wiederum nimmt die gesellschaftlichen Reaktionen auf die Entwicklungen rund um den Konflikt als eine Veränderung war. Die mediale Berichterstattung sowie Verbote von Demonstrationen und Rufe nach Sanktionierung bestimmter Aussagen bereiten ihm Sorge und er hält sie für kontraproduktiv. Er findet die Bezeichnung des Konflikts als Katalysator für Entwicklungen in Deutschland als zutreffend, da der Konflikt nicht Ursache, sondern die Auseinandersetzung mit bestimmten Themen lediglich befördert hat.

Rüdiger José Hamm sieht zwar keine Veränderungen in der Grundproblematik für die Präventionspraxis, beschreibt jedoch eine Verschärfung der Situation. Der politische Druck auf die Praxis sei gestiegen und es bestehe auch in der Praxis eine große Unsicherheit zu dem Thema. Zusätzlich zu den gestiegenen Anfragen, die die Fachkräfte zu bewältigen hatten, kommen in vielen Teams zusätzlich teils die private Betroffenheit durch Verbindungen in die betroffenen Regionen hinzu. Darüber hinaus müssen sich die Projekte auch weiterhin gegen Versuche der Delegitimierung ihrer Arbeit aus unterschiedlichen Lagern zur Wehr setzen.

Um eine Verbesserung für die Arbeit der Praktiker*innen zu erreichen, stellt sich Götz Nordbruch die Frage, ob der Fokus auf einen konkreten Konflikt hilfreich ist oder ob es viel mehr eine allgemeine Unterstützung bei der Entwicklung von grundlegenden Kompetenzen (Ambiguitätstoleranz, Krisenkompetenz, Handlungssicherheit) gehen sollte. Dr. El-Menouar hält es für wichtig, dass es geschützte Räume gibt, in denen man offen über emotionale Themen sprechen kann, ohne sich zu positionieren oder positioniert zu werden. Es müsse ermöglicht werden, gemeinsam an gemeinsamen Themen zu arbeiten. Dafür braucht es aus ihrer Sicht eine Politik, die Themen nicht konjunkturell besetzt und so Rechtspopulist*innen Auftrieb verschafft. Es dürfe kein Öl ins Feuer gegossen werden und brauche stattdessen mehr Umsicht und Weitsicht in der gesamten Gesellschaft. Rüdiger José Hamm unterstreicht zum Abschluss der Diskussion die Wichtigkeit einer starken Zivilgesellschaft. Zur Unterstützung brauche es weiterhin den Einsatz für ein Demokratiefördergesetz und nachhaltige Strukturen, die finanziell angemessen ausgestattet werden müssten.

Hier kommen Sie  zur Aufzeichnung der Diskussion.

 

Am zweiten Tag des Fachtags hatten die Teilnehmer*innen die Möglichkeit, einen aus vier Workshops zu besuchen. Die Workshops nahmen aus unterschiedlicher Perspektive und Schwerpunktsetzung Bezug zum Nahostkonflikt und zu seiner Wirkung als Katalysator für Antisemitismus, Rassismus und Radikalisierung in Deutschland.

Der Nahostkonflikt als Mobilisierungsfaktor in der islamistischen Szene Deutschlands
Workshop I von Hanna Baron (Sicherheitsbehörde Hamburg) & Annabelle Mattick (Institute for Strategic Dialog)

Der Workshop beschäftigte sich mit der Adaption des Nahostkonflikts in der Propaganda islamistischer Gruppierungen. Vor allem ging es um die Frage, wie zum einen dschihadistische, aber auch legalistische Mobilisierung im Rahmen des (aktuellen) Nahostkonflikts geschieht. Zu Beginn gaben die Workshopleiterinnen eine kurze Übersicht zu islamistischer Propaganda im Allgemeinen, insbesondere zu Zielen, Formaten und Inhalten. Sie differenzieren hier zwischen legalistischen und dschihadistischen Gruppierungen und stellten deren Hauptmerkmale und Unterschiede vor. Im Anschluss bekamen die Teilnehmer*innen die Möglichkeit, in Kleingruppen verschiedene Beispiele islamistischer Propaganda (u. a. QR Codes zu Videos, Fotos und Screenshots von Beiträgen in sozialen Medien) zu bearbeiten. Es ging darum, auf Basis der jeweils eigenen Arbeitsbereiche und Expertisen eine inhaltliche Einteilung mit Bezug zu den jeweiligen Strategien und Zielen, den Adressat*innen sowie der Bildsprache vorzunehmen. Hier stand besonders die Frage im Raum, inwiefern sich die Inhalte dschihadistischer und legalistischer Propaganda in ihrer Ausrichtung und Ansprache unterscheiden. Die Teilnehmenden haben insbesondere Unterschiede bei den jeweiligen Zielgruppen, dem Anspruch an eine Mobilmachung der Rezipient*innen sowie der Gewichtung theologischer Inhalte festgestellt und diese im Rahmen des Workshops weiter inhaltlich diskutiert. Dabei teilten sie eigene Erfahrungen und Herausforderungen aus der praktischen Arbeit mit Propaganda.

Die Instrumentalisierung des Nahostkonflikts aus einer phänomenübergreifenden Perspektive
Workshop II von Dr. Piotr Suder & Tariq N. Butt (ExPO. Extremismus-Prävention-Online, IFAK e. V.)

Zunächst gaben die Referenten einen Einblick in ihre Arbeit. Anhand von Social Media Beiträgen zeigten sie auf, welche phänomenübergreifenden Akteure es gibt und welche Kanäle diese bedienen, um sichtbar zu sein. Anhand von Beispielen wurde verdeutlicht, welche Allianzen extremistische Akteure untereinander eingehen und zu welchen Wechselwirkungen es dabei kommt.

Denn sowohl im Milieu der extremen Rechten oder Linken wird der Nahostkonflikt als Katalysator genutzt. Dabei bleiben auch Kooperationen teilweise mit „Islamistischen Akteuren“ nicht unbedacht. Solange die Gruppierungen sich in ihren Wegen zum Ziel unterstützen können, scheinen „befremdliche“ Allianzen kein Tabu mehr. Anhand von Auszügen von Social Media (u. a. YouTube) zeigten die beiden Referenten auf, welche Gruppen und Allianzen sich gebildet haben und/oder noch da sind und mit welchen Mitteln Sie sich Gehör verschaffen und Zielgruppen erreichen. Dabei fällt auf, dass nicht nur Jugendliche erreicht werden, sondern auch Erwachsene mitgedacht werden müssen.

Die Gruppierungen nutzen den Konflikt für eigene Zwecke und Ziele, bspw. indem sie den Angriff als Protest legitimieren (bspw. sehen einige linke Gruppen den Angriff der Hamas als Teil eines Freiheitskampfs), einseitige Solidarität formulieren oder Falschinformationen verbreiten. Allgemein liegt der Fokus sehr stark auf Emotionen, die teilweise für eine Delegitimierung des deutschen Staats genutzt werden.

Dabei kamen teils auch überraschende Ergebnisse heraus. Eine Gruppe erarbeitet ein Koordinatensystem, um die Gruppierungen phänomenübergeifend gut darzustellen und ihre Motive/Ziele zu vergleichen. Dabei zeigte sich, dass viele vermeintlich „gleiche Gruppierungen“ im öffentlichen Diskurs von ihrer Ideologie zwar ähnlich wirken, jedoch unterschiedliche Ziele verfolgen. Auf der anderen Seite zeigte die Kooperationen und Annäherung rechtsextremer Gruppierungen mit islamistischen Gruppierungen zeigten, dass durchaus Übereinstimmungen vorhanden und gemeinsame Wege (begrenzt) möglich sind.

Im Gespräch bleiben: antisemitismus- und rassismuskritische politische Bildung
Workshop III von Nava Zarabian & Bijan Hassan Pour-Razavi (Bildungsstätte Anne Frank)

Nach einer kurzen Vorstellung der Angebote der Bildungsstätte Anne Frank wurden grundsätzliche Arbeitsweisen vorgestellt. Im Zentrum der Ausführungen standen dabei die Grundannahmen, Grundhaltungen und Voraussetzungen für gelingende Austausche in einem politisch-bildnerischen, pädagogischen Setting, das sich mit Antisemitismus- und Rassismuskritik auseinandersetzt. Während sich die Arbeit in antisemitismus- und rassismuskritischen Kontexten grundsätzlich als sehr herausfordernd darstellt, erscheinen sich die Herausforderungen in Workshops zum Thema Nahostkonflikt noch einmal zu vergrößern.

Im Austausch mit den Teilnehmenden wurden diese Herausforderungen besprochen und gemeinsam nach Umgangsweisen gesucht bzw. dementsprechende Ideen diskutiert. Leitend waren dabei u. a. die Fragestellungen, welche Voraussetzungen die Settings für Workshops zum Thema Nahostkonflikt benötigen, um einen möglichst gleichberechtigten Austausch zu ermöglichen, ohne dabei Grenzen der Teilnehmenden einerseits und der Teamenden in der professionellen Rolle andererseits zu verletzen. Dabei ging es z. B. um die Gestaltung der Bildungsräume, der notwendigen Ressourcen, der Rollenklarheit der Teamenden oder der Festlegung der eigenen Grenzen und der der Teilnehmenden.

Es wurde deutlich, wie herausfordernd Workshops zum Thema Nahostkonflikt sind, jedoch waren sich die Teilnehmenden darin einig, dass mögliche Konflikte in entsprechenden Workshops eher als Chance begriffen werden sollten.

Der Nahostkonflikt und Soziale Medien: Propaganda, Polarisierung & Prävention
Workshop IV von Dr. Friedhelm Hartwig (modus | zad) & Navid Wali (Violence Prevention Network)

Im Workshop wurde zunächst mit einem Input zum bpb-Basismonitoring von populären Kanälen der Peripherie des religiös begründeten Extremismus (PrE) in das Thema eingeführt. Dabei wurde der Fokus auf die Reaktionen relevanter Kanäle auf Social Media in Bezug auf den Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 und der darauffolgenden militärischen Auseinandersetzung in Gaza gelegt. Dabei waren die Reaktionen islamistischer und salafistischer Akteure durchaus heterogen und reichten von Nivellierungen des Angriffs über Relativierungen bis hin zu einseitigen Schuldzuweisungen an Israel und dem Vorwurf der Doppelmoral vor allem an deutsche Politiker*innen. Als neue Entwicklung wurde die Verzahnung von online und offline Aktivitäten islamistischer Akteure identifiziert, insbesondere die Präsenz von islamistischen Akteuren auf Demonstrationen von Akteuren, die nicht dem islamistischen Feld zugerechnet werden.

Im Anschluss entwickelten die Teilnehmenden eigene Projektideen, die dann in der Gruppe diskutiert wurden. Als zentral dabei wurde gesehen, Räume zu schaffen, in denen der Nahostkonflikt möglichst offen besprochen werden kann und in denen die Bedürfnisse von Jugendlichen anerkannt werden. Wichtig sei vor allem auch, die emotionale Ebene anzusprechen und konstruktive Stimmen im Konflikt sichtbarer zu machen. Dabei sei jedoch ein Schutz aller Beteiligten zentral.

Als weitere wichtige Punkte wurden von den Teilnehmenden die möglichst direkte Partizipation von Jugendlichen schon in der Projektgestaltung gesehen, sowie eine möglichst langfristige Ausrichtung von Projekten, um Bindung und Vertrauen aufbauen zu können. Ein Ansatz sei auch, den Nahostkonflikt nicht direkt zum Thema zu machen, sondern niedrigschwelliger anzusetzen und Medien- und Mediengestaltungskompetenz zu fördern.

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